EJDM fordert: Gemeinnützigkeit der VVN anerkennen

Düsseldorf, 15. Dezember 2019

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JDM fordert: Gemeinnützigkeit der VVN anerkennen

In den letzten Monaten haben sich die Fälle gehäuft, in denen Vereinen in Deutschland die überwiegend schon lange anerkannte Gemeinnützigkeit durch die Finanzämter entzogen wurde.

Eines der Opfer dieser repressiven Politik ist die 1947 gegründete Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten VVN-BdA, deren Gemeinnützigkeit seit vielen Jahren anerkannt ist. Die Entscheidung zur steuerlichen Aberkennung der Gemeinnützigkeit erfolgte im November 2019 durch das Berliner Finanzamt für Körperschaften. Der VVN-BdA-Geschäftsführer Thomas Willms erklärte hierzu, dass das Finanzamt außerdem für 2016 und 2017 eine Steuernachzahlung in fünfstelliger Höhe verlange, was die Existenz des Vereins gefährde.

Einzige Begründung des Finanzamts Berlin ist die Erwähnung der VVN-BdA im Anhang des Berichts des Bayerischen Verfassungsschutzes von 2016. Im Bericht selber wird die VVN-BdA nur als „linksextremistisch beeinflusst“ bezeichnet.

Juristisch und politisch unhaltbar

Schon nach dem Gesetzeswortlaut hätte der Entzug der Gemeinnützigkeit nicht erfolgen dürfen. Nach § 51 der Abgabenordnung kommt die Versagung der Gemeinnützigkeit nur in Betracht, wenn ein Verein im Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes des Bundes als extremistische Organisation aufgeführt ist. Die VVN-BdA ist im bayerischen Bericht allerdings nur als „linksextremistisch beeinflusst“ erwähnt. Lediglich im Anhang wird sie der Gruppe der linksextremistischen Organisationen zugeordnet.

Dieser juristisch nicht unwichtige Unterschied wird vom Berliner Finanzamt für Körperschaften übersehen. Darüber hinaus hätte das Finanzamt die Behauptungen und Wertungen des Bayerischen Verfassungsschutzes nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Es hätte bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen, dass sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie alle anderen Landesämter für Verfassungsschutz in ihren Berichten die VVN schon seit vielen Jahren nicht mehr erwähnen. Es hätte berücksichtigen müssen, dass § 52 Abs. 2 der AO ausdrücklich die Förderung des Andenkens an Verfolgte und die Förderung der Hilfe für rassistisch Verfolgte als Anerkennungsgründe für die Gemeinnützigkeit nennt. Genau dies ist das Kernanliegen der VVN-BdA.

Es hätte schließlich berücksichtigen müssen, dass der deutsche Bundestag im Juli 2019 mit großer Mehrheit auf Antrag der Regierungskoalition eine stärkere Würdigung der Widerstandskämpferinnen gegen den Nationalsozialismus beschlossen hat. Bei dieser Aufgabe nimmt die VVN schon seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle ein. Viele ihrer Bildungsveranstaltungen führt sie gemeinsam mit den Gewerkschaften durch. Dafür wurde sie wiederholt gewürdigt, zuletzt 2017 von der Stadt Frankfurt anlässlich des 70. Gründungstages der VVN-BdA.

Verstoß gegen Willkür- und Diskriminierungsverbot

Das Finanzamt verstößt mit seiner Entscheidung auch gegen das vom Grundgesetz sowie von der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgeschriebene Willkürverbot und es verletzt die verfassungsrechtlich und europarechtlich garantierte Vereinigungsfreiheit, indem es die Betätigung der VVN-BdA durch Entzug der finanziellen Mittel erschwert. Die oben erwähnte Bildungsarbeit wird durch den Entzug des Steuerprivilegs nahezu unmöglich gemacht.

Der Katalog der steuerlich begünstigten Tätigkeiten in § 52 Abs. 2 AO ist systematisch fragwürdig und öffnet aufgrund seiner Unbestimmtheit das Tor für Willkürentscheidungen. Sein Inhalt trägt auch nicht der politischen Notwendigkeit Rechnung, die Zivilgesellschaft zur Stärkung der Demokratie zu fördern. Die neue Abgabenordnung muss die fehlende Rechtssicherheit schaffen, die es nicht dem örtlichen Finanzbeamten überlässt, wieviel Demokratie er für nötig hält.

Es kann kein Zufall sein, dass zeitgleich staatlicherseits versucht wird, aktiven Organisationen, die sich gegen Rassismus, gegen neoliberale Politik, und für soziale Ziele, für Umweltschutz oder auch durch demokratische, aber auch kritische, Bildungsarbeit einsetzen, die wirtschaftlichen Grundlagen für ihre Betätigung zu entziehen. Ihre Gemeinnützigkeit wurde bereits vor Jahren offiziell anerkannt wegen Förderung der Volksbildung (attac, Campact und DemoZ). Der Versuch, der Deutschen Umwelthilfe das Recht auf Verbraucherschutzklagen zu entziehen, ist vor dem BGH gescheitert. Die CDU hat unverdrossen beschlossen, auch deren Gemeinnützigkeit überprüfen zu lassen und diese nicht mehr mit Bundesmitteln zu fördern zu lassen.

Auch der Bundesfinanzminister musste schnell einsehen, dass das von seinem Ministerium vorgeschlagene Verbot für gemeinnützige Organisationen, sich zu politischen Themen und der Politik der Parteien zu äußern, einer Demokratie nicht würdig ist. Das in seinem Ministerium offenbar fehlende Demokratieverständnis scheint leider auch in verschiedenen Finanzämtern gefährlich Fuß gefasst zu haben.

Antifaschistische Aufklärung unerlässlich

Der Generalsekretär der EJDM, Thomas Schmidt, erklärt dazu: „Die vermeintlich juristische Begründung für den Entzug der Gemeinnützigkeit kann nur als vorgeschoben angesehen werden. Dem demokratischen Gemeinwesen fügt eine solche Politik erheblichen Schaden zu. In einer Zeit, in der Organisationen wie die AfD den demokratischen und sozialen Konsens untergraben, kann der Wert antifaschistischer Aufklärung und der entsprechenden politischen Bildungsarbeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Nicht nur die Listung der VVN-BdA unter den linksextremistischen Organisationen sondern auch deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz sollten daher unterbleiben.“

Die EJDM fordert die zuständigen Stellen im Bund und in den Ländern auf, durch entsprechende einheitliche Vorgaben zu verhindern, dass das Gemeinnützigkeitsrecht für politische Willkürentscheidungen missbraucht wird.

Bereits ergangene Entscheidungen zum Entzug der Gemeinnützigkeit müssen rückwirkend aufgehoben werden, damit der bereits eingetretene finanzielle Schaden begrenzt wird. Dies betrifft neben der VVN auch attac, Campact, DemoZ und Change.org.

 

Die EJDM fordert weiterhin:

  • § 51 Abs. 3 Satz, 2 AO ist zu streichen, wonach die Finanzämter davon ausgehen können, dass ein Verein, der in einem Verfassungsschutzbericht als extremistische Organisation erwähnt wird, nicht gemeinnützig ist«

Der Katalog in § 52 Abs. 2 AO ist unter anderem um folgende Tätigkeiten zu ergänzen:

  • Förderung der Menschenrechte und der Demokratie
  • Förderung der historischen Forschung zur Entwicklung der Menschenrechte und der Demokratie in Europa