Europäische JuristInnen fordern: das Recht baskischer Anwältinnen und Anwälte in Spanien auf freie Berufsausübung muss respektiert werden
Während der letzten zwei Jahrzente wurden mehr als 20 baskische Anwältinnen und Anwälte in Spanien in Untersuchungshaft genommen, mehrere von ihnen bis zu fast 2 Jahren. Allen verhafteten Anwältinnen und Anwälte wurden terroristische Verbrechen in Verbindung mit der ETA vorgeworfen oder die Beleidigung des spanischen Staates. Alle von ihnen waren entweder VerteidigerInnen oder MenschenrechtsanwältInnen, die angebliche Mitglieder oder UnterstützerInnen von ETA Organisationen vertraten. Anschließend stellte sich heraus, dass die meisten der Inhaftierungen unbegründet und ungesetzlich waren. In fast allen oben erwähnten Fällen wurden die verdächtigten Anwälte anschließend frei gelassen, freigesprochen oder die Fälle wurden eingestellt.
Indem der spanische Staat diese AnwältInnen verhaftete hat er sie nicht nur daran gehindert ihren beruflichen Aufgaben nachzukommen sondern ihren MandantInnen wurde auch das Recht genommen, sich von AnwältInnen ihrer Wahl vertreten zu lassen. Beide Vorgänge beinhalten die Verletzung von Menschenrechten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, Art. 6 Abs. 2c und nach den Grundprinzipien der Vereinten Nationen betreffend die Rolle der Rechtsanwälte, Art. 1 „Jeder ist berechtigt, den Beistand eines Rechtsanwalts seiner Wahl in Anspruch zu nehmen“, und Art. 18 „Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden“.
Die unterzeichnenden Organisationen AED-EDL und EJDM-ELDH wurden darüber informiert, dass baskische AnwältInnen in politisch sensiblen Fällen mit ihren MandantInnen identifiziert wurden. In mehreren Fällen in denen sie MandantInnen vertraten, die wegen ETA Aktivitäten angeklagt waren, wurden die AnwältInnen selber der Strafverfolgung ausgesetzt, sie wurden verhaftet, eingesperrt und erheblichen Druckmitteln ausgesetzt. Verhaftete AnwältInnen wurden sogar im Anschluss an ihre Verhaftung für Tage in Isolationshaft gehalten und konnten nicht einmal beraten und unterstützt werden durch eine Anwältin / einen Anwalt ihrer Wahl.
Spanien ist eines der Länder, in denen AnwältInnen anscheinend bedroht werden, indem Polizeioffiziere, ebenso wie Medien und Justizautoritäten vorschlagen, dass AnwältInnen ebenso verfolgt werden müssen wie ihre MandantInnen. Dies verstößt nicht nur gegen das Gesetz und stellt sich als Bedrohung des Rechtsstaats dar, sondern es schafft das hohe Risiko, das sogar AnwältInnen zu Unrecht verdächtigt werden ETA zu unterstützen als auch tatsächlichen UnterstützerInnen der Anspruch auf ein faires Verfahren verweigert wird.
Deshalb fordern die unterzeichnenden Organisationen hohe Achtsamkeit gegenüber den oben erwähnten Verletzungen der Verteidigungsrechte – die in vielen internationalen und europäischen auch von Spanien ratifizierten Verträgen garantiert werden (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Europäische Menschenrechtskonvention, die EU Grundrechtecharta) und die auch eine schwere Verletzung der in Havanna angenommenen UN Erklärung„Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte“ darstellen. AED und ELDH wollen ihre Sorge zum Ausdruck bringen, dass diese schon Jahrzente andauernde strafrechtliche Verfolgung von AnwältInnen strukturellen Charakter haben. Sie fordern:
- Die volle Anwendung aller internationalen und europäischen Verträge, die von Spanien ratifiziert wurden, z.B. Art. 14 der Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention.
- Die volle Anwendung der „UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte“, insbesondere Art. 7.8.16, 18
- „…dass alle mit oder ohne strafrechtliche Beschuldigung festgenommenen oder in Haft gehaltenen Personen unverzüglich Zugang zu einem Rechtsanwalt erhalten, in keinem Fall später als 48 Stunden nach der Festnahme oder Inhaftnahme.“
- „Alle festgenommenen oder in Haft oder Strafhaft gehaltenen Personen müssen angemessene Möglichkeiten, Zeit und Erleichterungen erhalten, damit sie ohne Verzögerung, Kontrolle oder Zensur und in strenger Vertraulichkeit von einem Rechtsanwalt besucht werden, mit ihm Kontakt unterhalten und sich mit ihm beraten können. Solche Beratungen dürfen von Vollzugsbeamten beobachtet, aber nicht abgehört werden.“
- „Der Rechtsanwalt darf wegen der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht mit seinen Mandanten oder den Angelegenheiten seiner Mandanten identifiziert werden.“
- „Der Staat stellt sicher, dass der Rechtsanwalt a) in der Lage ist, alle seine beruflichen
Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikanen oder unstatthafte Beeinflussung wahrzunehmen; b) in der Lage ist, zu reisen und sich mit seinen Mandanten frei zu beraten, sowohl im eigenen Lande als auch im Ausland; und c) wegen Handlungen, die mit anerkannten beruflichen Pflichten, Verhaltensregeln und Ehrenpflichten im Einklang stehen, keine Verfolgung oder verwaltungsmäßige, wirtschaftliche oder andere Sanktionen erleidet oder damit bedroht wird.“
- Die volle Anwendung der Schlussfolgerungen im Bericht des Europäischen Komitees für die Verhinderung von Folter und des Besonderen UN Berichterstatters.
- Die Abschaffung der Incommunicadohaft (s. Art. 3 EMRK)
- Die Beendigung des unverhältnismäßigen Einsatzes von Untersuchungshaft und von Untersuchungshaft ohne Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit.
- Die Beendigung der Praxis von geheimen gerichtlichen Verfahren, welche den Zugang zu den Details des Falles einschränken, einschließlich der Beschuldigungen und Beweismittel bis zu 10 Tagen vor Beendigung der Ermittlungsphase. Zum Beispiel die Weigerung, die Beschuldigungen gegen den Inhaftierten zu erläutern und Akteneinsicht zu gewähren.
- Eine Kommission zur Untersuchung der Verletzung der Rechte der RechtsanwältInnen in Spanien, insbesondere derjenigen, die inhaftiert sind oder die inhaftiert werden sollen.
- Die Freilassung aller AnwältInnen deren Inhaftierung von der Untersuchungskommission für ungerechtfertigt angesehen wird und eine Entschädigung für die erlittenen Menschenrechtsverletzungen.
Prof. Bill Bowring, Rechtsanwalt, Präsident der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. (ELDH-EJDM), London (UK)
Frédéric Ureel, Rechtsanwalt, Präsident der Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte (AED-EDL), Farciennes (Belgien)
FÜR WEITERE INFORMATION :
« Hans Gaasbeek, Rechtsanwalt, Vize Präsident der AED-EDL, Haarlem, Niederlande,
Telefon 0031 6 52055043,
« Thomas Schmidt, Rechtsanwalt, ELDH Generalsekretär, Düsseldorf, Deutschland,
Telefon 0049 211 444001,
Hinweis: Der Tag der gefährdeten Anwältin / des gefährdeten Anwalts ist ein Projekt welches 2010 von der Kommission „Verteidigung der Verteidigung“ der AED/EDL ins Leben gerufen wurde. Es ist das Ziel hierdurch einmal jährlich die Aufmerksamkeit zu lenken auf die weltweit praktizierte Belästigung, Verfolgung, Tötung und Bedrohung von Anwälten, die ihre beruflichen Pflichten erfüllen. Seit 2012 wird dieses Projekt gemeinsam von AED/EDL und der Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V. EJDM organisiert.
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