London / Düsseldorf, Juni 2011
EJDM: Für Abschaffung der Terrorismuslisten der UN und EU
Vor über 10 Jahren wurden Terrorlisten zunächst vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, später von der Europäischen Union und daneben von einzelnen Staaten eingeführt, mit dem erklärten Ziel gegen die Finanzierung des Terrorismus zu kämpfen. Inzwischen wurde vom EU-Anti-Terrorismus Koordinator Gilles De Kerchove Ende 2010 eingestanden, dass eher politische Gründe für die Listung auschlaggebend sind (z.B. die politischen Beziehungen zu Ländern wie Israel, Kolumbien, Philippinen, Türkei) und nicht das Einfrieren von Konten oder anderer finanzieller Ressourcen zur Finanzierung des Terrorismus.
Auf den Listen finden sich mehr fast 400 teils verurteilte, größtenteils der Unterstützung des Terrorismus verdächtigte Personen und über 90 Organisationen. Die Sanktionen umfassen u.a. die Einfrierung von Konten, die Beschlagnahme von Vermögen und die Aberkennung des Rechts der Einreise in ein Land. Die gelisteten Personen und Organisationen erfuhren in der Vergangenheit davon in der Regel erst im Zusammenhang mit gegen sie verhängten Sanktionen.
Eine der ersten Terrorlisten war die mit im Ergebnis der Resolution 1267 vom „Komitee des UN Sicherheitsrats“ – beschlossene „Al-Qaeda, Taliban Liste“, die bis heute laufend aktualisiert wird und unter anderem auch von der EU umgesetzt wurden. Seit Juni 2011 wird die Liste in zwei getrennten Listen fortgeführt.
Nach den Anschlägen des 11.9.2001 forderte der UN Sicherheitsrat zuerst mit der Resolution 1373 alle Staaten auf, die vom UN Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus umzusetzen und die notwendigen Informationen für die laufende Aktualisierung der UN Terrorliste zu liefern. Die EU nahm das zum Anlass, eine eigene Sanktionsverordnung mit regelmäßig aktualisierten Terrorismuslisten aufzustellen. Auf diesen wurden unter anderem baskische Personen und Organisationen, die kolumbianische FARC, die Hamas, die philippinische NPLA, die Tamil Tigers, die kurdische PKK und angebliche Nachfolgeorganisationen, die iranischen Volksmujaheddin (PMOI), und aufgelisted.
Seit dem Beginn sind ist die Rechtsstaatlichkeit der Terrorlisten insbesondere aus folgenden Gründen in Frage gestellt worden
- Die Gründe für die Listung stammen in der Regel aus verschiedenen Geheimdienstoperationen und werden den betroffenen Personen nicht bekannt gegeben.
- Der Terrorismusbegriff ist so allgemein gefasst, dass auch Befreiungsbewegungen, Unabhängigkeitsbewegungen darunter fallen und entsprechende Organisationen auf Antrag der von Regierungen in die Liste aufgenommen werden, die solche Bewegungen unterdrücken und bekämpfen.
- Es fehlt ein ausreichend rechtsstaatliches Verfahren, in dem die betroffenen Personen und Organisationen sich gegen die Listung und die Konsequenzen zur Wehr setzen können.
- Das Verfahren zur eventuellen Annullierung einer unrechtmäßigen Listung dauert unzumutbar lange.
- Für Individuen hat die Listung schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Konsequenzen. Sie werden zudem über viele Jahre hinweg daran gehindert ihr Aufenthaltsland zu verlassen. Darüber hinaus hat die Listung weitreichende indirekte Folgen im Bereich ihres Flüchtlings-, Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsrechts.
- Die Betroffenen erhalten auch bei späterer Rücknahme der unrechtmäßigen Listung durch das UN Sicherheitsrats Sanktionskomitees oder im Falle von gerichtlicher Aufhebung der Listung keinen Ersatz des ihnen über viele Jahre hinweg entstandenen, zum Teil erheblichen, Schadens.
Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen haben in der Folgezeit die Terrorlisten und das Listungsverfahren scharf kritisiert.
Auch der Europäische Gerichtshof hat in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten die Listung durch die Europäische Union wegen des Verstoßes gegen rechtsstaatliche Prinzipien für rechtswidrig erklärt, insbesondere wegen der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs durch ein zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht.
Dick Marty ein Delegierter der Schweiz in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und ehemaliger Vorsitzender des Komitees für rechtliche Angelegenheiten und Menschenrechte des Europarat spricht im Zusammenhang mit dem Listungsregime von einer „zivilen Todesstrafe“ wegen der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen und der Einschränkungen im Bereich der Freizügigkeit.
Auch der UN-Beobachter für Menschenrechte und Grundrecht im Kampf gegen den Terrorismus, Martin Scheinin, hält die rechtsstaatlichen Einschränkungen durch das Listungsregime der UN für nicht länger hinnehmbar und ist der Auffassung dass der Sicherheitsrat mit der Aufrechterhaltung der Terrorismusliste seine Kompetenzen überschreitet, weil die Voraussetzungen nach Art. 39 UN-Charta nicht mehr vorliegen würden (in seinem Vorwort zu „Blacklisted: Targeted sanctions, preemptive security and fundamental rights“, herausgegeben vom ECCHR, 2010)
Die norwegische Regierung hat bereits 2006 erklärt, aufgrund ihrer Rolle als neutraler Vermittler von Friedensprozessen, am europäischen Listungsregime nicht mehr teilzunehmen. Das schweizerische Parlament hat 2010 die schweizerische Regierung veranlasst, die mit der UN Liste verbundenen Sanktionen aus der UN Sicherheitsratsresolution 1267 nicht mehr anzuwenden.
Sowohl die UN wie auch die EU haben als Reaktion auf die scharfe Kritik durch Nichtregierungsorganisationen, durch einige Regierungen sowie durch den EuGH, das Verfahren zur Überprüfung der Listung leicht verbessert. Die UN hat eine Ombudsperson eingeführt. Die EU gibt zumindest pauschal die Gründe für die Listung bekannt, allerdings erst nach der Listung.
Die oben aufgeführten schweren Bedenken gegen die Terrorlisten der UN und der EU sind mit diesen Änderungen jedoch nicht ausgeräumt. Die Hauptmängel der Listen und des Listungsverfahrens sind nicht beseitigt.
Die EJDM ist daher überzeugt, dass allein die vollständige Abschaffung der Terrorlisten der UN und der EU geeignet sind den oben genannten rechtsstaatlichen Bedenken Rechnung zu tragen.
Die EJDM fordert die Regierungen der Mitgliedsstaaten der EU auf, die Europäischen Terrorlisten abzuschaffen, die Teilnahme am Listungsregime der UN zu beenden und innerhalb der UN für die Abschaffung der UN Terrorlisten einzutreten.
Soweit Regierungen illegale Aktivitäten von Individuen oder Organisationen nachweisen können, können sie auf innerstaatlicher Ebene die notwendigen rechtsstaatlich abgesicherten strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Verfahren einleiten.
Die Erklärung der EJDM (als pdf-Datei in Deutsch)
Der vollständige Bericht des ECCHR „Blacklisted: Targeted sanktions, preemptive security and fundamental rights“ (als pdf-Datei in Englisch)