Die englische Rechtsanwältin Gareth Peirce hat den diesjährigen Hans-Litten-Preis erhalten. Der Preis wurde der Menschenrechtsanwältin auf der Festveranstaltung der VDJ anlässlich des 40-jährigen
Bestehens der Vereinigung am 15.09.2012 in Frankfurt/ Main für ihren jahrzehntelangen unnachgiebigen Einsatz für die Verteidigung fundamentaler Menschenrechte vor Gericht, gegen Justizunrecht und gegen Pervertierung des Rechts verliehen. Die VDJ würdigt mit diesem Preis insbesondere
eine Haltung, die über den juristischen Beruf hinausgeht, sich in besonders hohem Maß durch demokratisches und rechtspolitisches Engagement auszeichnet und auch der Konfrontation mit politischen Machtinteressen und ihren Institutionen nicht ausweicht.
Mit der Preisverleihung an Gareth Peirce wurd eine Strafverteidigerin ausgezeichnet, die Maßstäbe insbesondere in britischen Strafverfahren gegen Angeklagte gesetzt hat, denen irischer oder islamistischer Terror vorgeworfen wurde. Sie hat – so ihr Sozius Birnberg – „fast im Alleingang die
Strafrechtsszene in diesem Land verändert“ und tief die „dunkle Seite“ der Staatsmacht ausgeleuchtet. In ihrem 2010 veröffentlichten Buch „Dispatches from the dark side. On torture and the death of justice“ greift sie den Zerfall des Rechts, die Zerstörung und Entstellung fundamentaler anglo-amerikanischer rechtlicher und politischer Verfassungsprinzipien an, die sich u.a. durch die Schaffung geheimer Gerichte auszeichnen, um geheime Beweise zu erheben, Schuld bereits aus der Mitgliedschaft in einer Organisation ableiten und Folter und illegale Auslieferung offen rechtfertigen. Gareth Peirce hat sich gerade der aus der Gesellschaft Ausgestoßenen angenommen und sie vielfach aus den Gefängnissen herausholen können. Zu den spektakulärsten Fehlurteilen Englands gehören die sog. „Guildford Four“, die 1975 zu lebenslänglicher Haft verurteilt und in einem durch Peirce u. a. wiederaufgenommen Verfahren 1989 frei kamen sowie der Fall der „Birmingham Six“, die ebenfalls als lebenslänglich Verurteilte nach sechzehnjähriger Haft freigesprochen wurden. Erfolgreich engagiert hat sie sich auch in der Vertretung unschuldig Inhaftierter in Guantánamo.
Auch „ihre Niederlagen vor Gericht und manche Anfeindungen in der Öffentlichkeit haben sie nie an ihrer Aufgabe, die Minderheiten vor den Mehrheiten zu schützen, die Parias der Gesellschaft zu vertreten, die Ausgestoßenen zurückzuholen und die Aussichtslosigkeit aus der Prozessgeschichte zu streichen, zweifeln lassen.(…) Die Zeiten des Terrors sind noch nicht vorbei und wir brauchen Anwältinnen und Anwälte, die sich seiner Instrumentalisierung entgegenstellen“ (aus der Preisrede).
Die Laudatio wurde gehalten von Professor em. Norman Paech (Hamburg).
Der Namensgeber des Preises Hans Litten war einer der bedeutendsten Anwälte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik . Er wurde 1933 in „Schutzhaft“ genommen und nach jahrelangen Qualen und Folter u. a. in Esterwegen und Buchenwald durch den Terror der Nazis im KZ Dachau
1938 in den Tod getrieben.
Ansprache des EJDM Präsidenten Professor Bill Bowring: Address at the VDJ 40th Anniversary meeting and presentation of the Hans Litten Prize to Gareth Peirce, LiteraturHaus, Frankfurt am Main