Presseerklärung – 24.3.2014
Zwei Massenprozesse gegen AnwältInnen beunruhigen sein längerem die türkische und die internationale Öffentlichkeit, der KCK AnwältInnen Prozess und der ÇHD AnwältInnen Prozess. Im KCK AnwältInnen Prozess stehen 50 Angeklagte, darunter 46 AnwältInnen vor Gericht. Im ÇHD Prozess sind es 22 AnwältInnen. Alle sind auf der Grundlage zweifelhafter Beweismittel angeklagt wegen angeblicher Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen, KCK bzw. DHKP-C. Ihnen wird die Ausübung anwaltlicher Pflichten zur Last gelegt, d.h. Verteidigung von Abdullah Öcalan bzw. von angeblichen DHKP-C Mitgliedern.
Zuständig für beide Verfahren waren bisher Sondergerichte für schwere Straftaten in Silivri 60 km entfernt von Istanbul auf dem größten Gefangenenlager der Türkei. Diese auch von der EU viel kritisierten Gerichte wurden jetzt infolge einer Änderung des türkischen Strafverfahrensgesetzes aufgelöst. Zuständig sind nunmehr die ordentlichen Strafgerichte für schwere Straftaten in Istanbul.
Als ersten Akt der neu entdeckten Gesetzestreue haben die jetzt zuständigen Gerichte in Istanbul die letzten 15 noch in Untersuchungshaft gehaltenen AnwältInnen vergangene Woche unter Auflagen frei gelassen, weil sie dafür keine Rechtfertigung mehr entdecken konnten, weder Fluchtgefahr noch Verdunklungsgefahr. Damit endet für die AnwältInnen im KCK Verfahren eine 28 monatige Untersuchungshaft. Für die ÇHD AnwältInnen waren es 14 Monate. Unter den Freigelassenen befindet sich auch der Präsident des ÇHD, Selçuk KOZAĞAÇLI.
Die EJDM begrüßt diese längst überfälligen gerichtlichen Entscheidungen. ProzessbeobachterInnen der EJDM aus Belgien, Deutschland, Holland, Italien, England und der Schweiz haben gemeinsam mit einem großem internationalen Beobachterteam die Prozesse von Beginn an verfolgt, und von Anfang an die sofortige Freilassung gefordert.
Von Beginn an haben die Strafverteidiger in beiden Verfahren die verhängte Untersuchungshaft als ungerechtfertigt und unverhältnismäßig gerügt. Weder für Fluchtgefahr noch für Verdunklungsgefahr konnte die Gerichte Anhaltspunkte nennen. Der schleppende Verfahrensgang, Terminierungen im Abstand von 3 – 4 Monaten, die damit verbundene Verletzung des Beschleunigungsgebots machten die Prozessführung nach europäischen aber auch nach türkischen Recht angreifbar. Infolge der neuen Zuständigkeit der Istanbuler Gerichte, droht eine weitere Verzögerung, da mit einer Neuterminierung erst für November 2014 gerechnet wird. Die Richter müssen sich erst in die Akten einarbeiten. Allein die Anklageschriften in den beiden Verfahren umfassen 600 bzw. 900 Seiten. Ohne Freilassung hätte dies die Haftdauer der Angeklagten weiter verlängert. Die ohnehin schon ständig vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte laufend verurteilte Türkei musste auch für diese Rechtsverletzungen eine erneute Niederlage in Straßburg befürchten.
Mit ihren jetzigen Entscheidungen haben die Richter zumindest einen schweren Verfahrensfehler aus der Welt geschaffen. Diese beiden Verfahren kranken jedoch an einer Vielzahl von Mängeln, die nur durch Einstellung der Verfahren zu beseitigen sind. Ein grundsätzliches Umdenken in der Justiz und in der Regierung sind hierfür erforderlich.
Leider zeigen andere gerichtliche Entscheidungen in den letzten Tagen, dass noch nicht alle Gericht in der Türkei den notwendigen Lernprozess vollzogen haben. In dem Hauptverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der KCK in Diyarbakir mit 180 Angeklagten, hat das Gericht den Antrag der Verteidigung auf Freilassung von 92 Angeklagten aus der Untersuchungshaft pauschal abgelehnt. Weiterer Druck von Regierungen und er EU wird notwendig sein, damit Regierungen in der Türkei darauf verzichten, die politische Opposition und ihre Anwälte zu kriminalisieren.